Das Korn im Höhenflug

Lange fristete er ein Schattendasein. Doch seit einigen Jahren erlebt der Getreideanbau im Berggebiet eine Renaissance.

Das Roggenfeld hat Christian Bühler verschluckt. Nur die wackelnden Halme verraten, wo in dieser bis zu zwei Meter hohen Bastion goldgelber Ähren er gerade steckt. «Eine alte Roggensorte», sagt er, schnappt sich eine Ähre, die ihm vor der Nase herumtanzt und inspiziert sie. «Früher war diese Sorte beliebt, weil sie dank der langen Halme viel Stroh lieferte. Doch heute, wo der hohe Kornertrag im Fokus steht, sind die langen Halme ein Nachteil, denn sie knicken schneller, wenn es stürmt, und können dann mit der Maschine nicht mehr recht gedrescht werden.» Weil die Qualität des Korns und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen aber besser ist als bei modernem Roggen, eignet sich die alte Sorte besonders gut für den Bio-Anbau. Darum wird sie bei Christian Bühler zu neuem Leben erweckt.

Christian ist ein Idealist und Visionär. Für manche auch ein Spinner. «Als meine Frau Anna und ich den Hof Anfang der 90er von meinen Eltern übernahmen und auf Bio umstellten, waren viele skeptisch», erinnert er sich. «Bio-Getreide anbauen? Wie soll das gehen, wenn man das Unkraut nicht mit Herbiziden bekämpfen darf, haben sie sich gefragt.» Dass es wunderbar geht, haben Bühlers mittlerweile bewiesen.

Das Projekt in Kürze

  • Maschinengenossenschaft
  • Anschaffung Hangmähdrescher
  • Urmein/GR

Für ihr Bio-Getreide erhalten Bühlers einen guten Preis. Und aus dem Mehl und den Getreideflocken macht Anna in der hofeigenen Backstube Müesli-Mischungen und Backwaren. «Wir vermarkten sehr vieles direkt ab Hof. Das Fleisch unseres Braunviehs ebenso wie die Backwaren», sagt sie, und zieht ein Blech himmlisch duftender Linzertorten aus dem Ofen. Abnehmer sind Dorfläden und Privatpersonen. Der Hofladen und das Selbstbedienungs-Hüttli an der Strasse laufen so gut, das Anna zwei Tage pro Woche in der Backstube steht. «Das ist genau mein Ding. Ich habe immer schon davon geträumt, Selbstversorger zu sein.» Deshalb hat sie auch angefangen, selber MüesliMischungen zu machen. «Mich hat es gefuchst, dass wir vor dem Haus Getreide anbauen, aber in den Laden gehen müssen, um Müesli zu kaufen.» So steht heute auf Bühlers Frühstückstisch neben dem selbstgebackenen Brot auch die selbstgemachte Flockenmischung. Vielleicht gibt es ja schon bald eine mit den Körnern vom höchsten Roggen.

coms.ch

Text und Bilder: Isabel Plana

Pubblicato a giugno 2020
L’Aiuto svizzero alla montagna fornisce un sostegno finanziario quando i fondi non sono sufficienti per realizzare un progetto lungimirante.