Die Frau am Steuer

Als Hüttenwartin der Capanna Gorda im Bleniotal ist man oft auf sich allein gestellt – vor allem im Winter. Kein Problem für Nadia Ochsner. Sie meistert den Alltag mit Schalk und Charme. Ob es nun ums Putzen geht oder darum, mit dem Pistenfahrzeug Vorräte zur abgelegenen Hütte zu transportieren.

Sie wirkt klein hinter dem Steuer des breiten, roten Pistenfahrzeugs. Routiniert steuert Nadia Ochsner das 5-Tonnen-Gefährt den steilen, engen Weg zwischen den Bäumen hindurch in Richtung Baumgrenze. Im Gepäckabteil: kistenweise Lebensmittel und ganz viele verschiedenfarbige Plastikschlitten. Die sind sehr beliebt bei den Gästen der Capanna Gorda im Bleniotal. Denn nach dem gut zweistündigen Aufstieg per Winterwanderweg schätzen es viele, dass sie zumindest für den Nachhauseweg einfach einen Schlitten ausleihen und gemütlich ins Tal gleiten können. Ganz besonders, wenn der Bauch nach dem Mittagessen etwas zu voll zum Marschieren ist. Und das kann einem leicht passieren. Denn Nadia kocht zwar einfach, aber sehr fein mit Liebe und lokalen Zutaten.

Das Projekt in Kürze

  • Berghütte
  • Anschaffung Pistenfahrzeug
  • Camperio/TI

Seit sechs Jahren ist Nadia gemeinsam mit ihrem Mann Alan und den beiden Söhnen Nathan und Athos Pächterin der Capanna Gorda. Seither hat sich viel getan: Alan montierte eine Webcam auf dem Dach der Hütte und richtete eine Website ein. Das allein brachte viele neue Gäste. Als richtiger Renner erwies sich die «Gaia-Gora Sotto le Stelle». Ein Anhänger, den Alan zu einer Art Container mit Dach und Wänden aus Glas umbaute. Nur wenige Meter von der Capanna entfernt kann man darin – bequem im Bett liegend und die warme Decke bis unter die Nasenspitze gezogen – den eindrücklichen Winterhimmel bewundern mit den vielen Sternen, die so weit weg von der Zivilisation besonders hell leuchten. Nur einen Haken hat die Sache: Die «Gaia» ist ziemlich weit voraus ausgebucht.

Eigene Raupen nur für den Sommer

Mit einem Pistenfahrzeug darf man ausschliesslich auf Schnee fahren. Auf Kies oder noch schlimmer Asphalt verschleissen die teuren Raupen extrem schnell. Für die Pächter der Capanna Gorda im Bleniotal ein Problem. Denn im Sommer muss ihr Pistenbully ins Tal runter. Für den Service und um in einer Garage geschützt eingestellt zu werden. Solange aber Schnee liegt, wird das Fahrzeug gebraucht. Wie kommt es nun von der Alp ins Tal hinunter? Zum Glück gibt es dafür spezielle Sommerraupen aus Hartgummi. Allerdings ist so ein Raupenwechsel nichts, das man mal eben kurz zwischendurch macht.

Man kann natürlich auch in der Capanna selbst übernachten. Dort gibt es 28 Schlafplätze. Davon befinden sich allerdings lediglich zwei in einem Doppelzimmer. Der Rest ist Massenlager. Zumindest noch. Denn der Verein, dem die Hütte gehört, plant bereits einen kleinen An- und Umbau. Kleinere Zimmer ist die eine Sache, auf die sich Nadia freut, mehr Platz in der Küche die andere. «An schönen Wintertagen, wenn die Leute zu Fuss, mit Schneeschuhen oder auf dem Rückweg von Skitouren zum Zmittag vorbeikommen, bin ich jetzt manchmal schon am Limit», sagt sie. Doch auch wenn es streng ist, die 41-Jährige ist Gastgeberin mit Leib und Seele. Mit der Übernahme der Hütte haben sie und Alan ihr Leben auf den Kopf gestellt. Sie haben ihre jeweiligen Stellen gekündigt und alles auf die Capanna gesetzt. «Ein bisschen verrückt sind wir wohl schon», lacht Nadia. «Aber es macht Spass und reicht zum Leben.»

So ganz aus dem Nichts kam die Entscheidung natürlich nicht. Nadia war schon immer von der Natur und dem Draussensein begeistert. Ihre Eltern besassen ein abgelegenes Rustico, in dem die Familie auch im Winter viel Zeit verbrachte. So lernte Nadia zum Beispiel bereits als Kind, einen Motorschlitten zu fahren. «Das war etwas vom Ersten, das ich Alan beibrachte, als wir die Capanna Gorda übernahmen», lacht sie. Denn der Schneetöff ist unverzichtbar. Er ist schneller und verbraucht viel weniger Sprit als das Pistenfahrzeug. Wenn keine Transporte anstehen, ist er das Verkehrsmittel der Wahl für Ochsners. Während der Öffnungszeiten der Hütte (im Winter jeweils von Freitag bis Sonntag und über die Festtage sowie in den Sportferien) wohnt Nadia im kleinen Zimmer im Keller der Capanna. Alan pendelte lange Zeit häufig zwischen Daheim und Hütte, damit die Buben nicht zu oft allein waren. Inzwischen ist Athos in der Deutschschweiz in der Lehre und kommt höchstens alle zwei Wochen nach Hause. Umso mehr geniesst es die Familie, wenn in den Ferien alle gemeinsam in der Capanna wohnen. «Ja, die Jungs kommen immer gerne hoch, auch wenn sie hier natürlich mit anpacken müssen», sagt Alan. Offenbar nimmt man für eine rund 7 Kilometer lange Schussfahrt mit dem Schlitten nicht nur einen langen Fussmarsch in Kauf, sondern auch ein paar Stunden Putzen oder beim Servieren helfen.


capannagorda-sanda.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Pubblicato a febbraio 2024

Die Unterstützung

Ein Pistenfahrzeug, mit dem auch schwere und sperrige Gegenstände transportiert werden können, ist unverzichtbar für die Pächter der Capanna Gorda. Nicht nur für die Transporte, sondern auch, um den Winterwanderweg zur Hütte präparieren zu können. Als das in die Jahre gekommene Exemplar von Familie Ochsner den Geist aufgab, war deshalb rasch Ersatz nötig. Die Schweizer Berghilfe unterstützte Nadia und Alan beim Kauf eines Occasionsfahrzeugs.
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